Hermannsweg 3 (Heiligenkirchen)
1830 erbaut, seit 1846 selbständige Hausstätte, ehem. Heiligenkirchen Nr. 37.
Baugeschichte
1830 trat Tötemeier (Teutmeyer), Heiligenkirchen Nr. 4, einen Platz in Erbpacht zum Hausbau an den Schreiner Fischer von Rischenau ab. Laut Salbuch besaß Fischer, ein Neuwohner und Straßenkötter, auf Gründen des Kolons Tötemeier Nr. 4 ein Wohnhaus und zahlte dafür den jährlichen Kottentaler für den Hausplatz an Teutmeyer. Der Neubau war zunächst an der Hiddeser Chaussee beabsichtigt. Bauherr war der Schreinergeselle C. Fischer aus Rischenau (an anderer Stelle: Carl Fischer aus Radsiek), der zukünftige Schwager Tötemeiers. Die Regierung verfügte, der Bau muss ohne Nachteil für die Chaussee weit genug zurückliegend errichtet werden und die Kontrahenten müssen das nötige Baukapital nachweisen. Zunächst wurde der Bau nicht genehmigt, da er keine Verschönerung für die Chaussee darstellte, der Platz zum Wenden der fürstlichen Chaisen gebraucht wurde und keine polizeiliche Aufsicht, weder von Hiddesen noch von Heiligenkirchen möglich war (befürchtet wurden Gesindel und Prostitution). Daraufhin erschienen Fischer und das Ehepaar Tötemeier und erklärten, nunmehr eine Neuwohnerstätte anlegen zu wollen. Dazu würden 2 Metzen Saat vor dem Holzgrunde (Nr. VIII. 4 des Katasters, genannt Feldbusch gegen Wiesenbrink) für die Summe von 33 rt 12 gr erb- und eigentümlich verkauft. Nach Gutachten von Amtsrat Pustkuchen musste der Bau mindestens 12 Fuß vom Chaussseegraben entfernt zu stehen kommen und es dürfte nie Holz oder anderes an der Chaussee abgelegt werden, da sie hier sehr schmal sei. Fischer musste einen Bauplan vorzeigen. Diesen Riss des Hauses und der Tötemeierschen Mergelgrube zeichnete Baukondukteur Wiss. Piderit meldete gegenüber der Regierung Bedenken an: "Eine so kleine Stätte in einer Steingrube, fast ohne allen Hofraum, nahe an der Chaussee, am Ende des Spatzierganges nach Hiddesen wird sich weder gut ausnehmen, noch auch hinreichen, darauf nur die nöthigsten Gemüse zu bauen. Fast eine halbe Stunde von Heiligenkirchen entfernt, kann hier nicht wohl polizeiliche Aufsicht geführt werden, sondern eine solche Stätte kann leicht ein Schlupfwinkel für Huren und anderes schlechte Gesindel werden, welches sich in Detmold nicht aufhalten darf u häufig in den Spatziergängen umherläuft. Wer als Eigenthümer einer so kleinen Stätte fast gar nichts Eigenes, nicht einmal ein Gärtchen hat, legt sich, wie die Erfahrung in anderen Fällen bewiesen hat, leicht darauf, aus den ihn umgebenden Wiesen, Feldern u Holzungen das Fehlende zu entwenden." Tötemeier könne geeigneteres Land verkaufen, auch stünden genügend Stätten dem Fischer zur Erwerbung, etwa die Eichwebersche hinter Hakedahl, wo er sich besser als bei einem Neubau stehe.
Pustkuchen hingegen befürwortete, das Gelände sei größer vermessen als es den Augenschein habe, auch versichere Wiss, hier ein gesundes Wohnhaus bauen zu können. Diese lehnte jedoch am 24.7.1830 endgültig wegen Nachteilen für die Chaussee ab. Es wurde verfügt, den "Neubau eines Wohnhauses an der Hiddeser Chaussee welcher bereits schon angefangen war nicht weiter fortzusetzen".
Fischer hatte jedoch seinen Plan schon einige Tage zuvor aufgegeben und einen Platz in Tötemeiers Kespohl in der Nähe des Teichs, mehr als 100 Schritte von der Chaussee entfernt, ausersehen. Aus polizeilicher Hinsicht bestanden kein Bedenken. Am 21.8.1830 wurde ein Kontrakt vor dem Amt Detmold geschlossen. Danach wollte Tötemeier von seinem Grundstück (VII 5 des Katasters) genannt die Eichen über Kesspohl, dem Schreinergesellen Fischer soviel als er zum Hausbau benötige überlassen, wenn das Land ihm als Eigentum verbliebe, solange Fischer selbst oder dessen zukünftige Ehefrau Wilhelmine Tötemeier am Leben wären. Die Erben dürften entweder das Haus wegnehmen oder neuen Vertrag aushandeln. Fischer müsse die auf dem Land ruhenden Abgaben und 1 rt jährlich an Tötemeier entrichten. Da dieser Erbpachtkontrakt am ehesten einem Binnenkotten glich, keinesfalls einer Neuwohnerstätte, musste Fischer die Binnenkottenabgabe und 3 Handburgfestdienste leisten. Am 31.8.1830 wurde der Vertrag von der Regierung genehmigt.
1838 hat Fischer 30 rt Schulden, die er nicht zurückzahlen kann. Tötemeier ist gegen eine Versteigerung, da nur das Haus Fischer gehört, nicht das Land. Gegen eine Verpachtung des Hauses durch die Gläubiger hatte er nichts. Am 5.1.1839 wurde vor dem Amt Detmold vereinbart: Tötemeier und seine Frau wollen Fischer 100 rt zu 4 % leihen, wenn Fischer das Geld auf das Haus ingrossieren ließe und ihnen die Stätte so lange zur Vermietung überließe. Von der Miete müssten Reparaturen, Lasten und Zinsen sowie die Leihekassen-Termine (Kreditraten) gezahlt werden, worüber er Buch zu führen versicherte. Eine Vermietung an Fischer selbst käme nur in Frage, wenn dieser eine angemessene Miete zahle. Auch dürften sie nichts anderes auf das Erbpachtsrecht ingrossieren lassen. Christoph Fischer und seine Frau nahmen dies dankbar an. 1903 Anbau, 1904 Abbruch eines Backhauses ausgetragen. 1925 Neubau einer Tischlerwerkstatt, 1939 mit Anbau erweitert. Die Maschinen in der Werkstatt wurden bereits 1913 versichert. 1935 Anbau eines Holzschuppens.
Baubeschreibung
Heiligenkirchen, Flur 1, Parzelle 89. Der Platz hieß "Die Eichen überm Keßpohl" und lag 100 Schritte von der Chaussee (Friedrich-Ebert-Straße) entfernt. Er war gerade so groß, dass ein Haus darauf erbaut werden konnte. Das Grundstück verblieb im Eigentum Tötemeiers. Die Parzellen 87/88 bilden den Zuweg und Hofraum. Nordöstlich befand sich laut Katasterblatt 1954 noch ein Teich, Parzelle 99.
Das hintere, südliche Gebäude, auf Parzelle 89, ist – im Kern – das 1830 errichtete Wohnhaus, ein Fachwerkbau mit annähernd quadratischem Grundriss auf Muschelkalksockel, nördlich unterkellert. Sockel sekundär höher aufgemauert. Vierständerbau, vier Fache tief. Breites Wohnseitenschiff links, drei Riegelketten, Fußstreben bis unter die dritte Riegelkette. Vorgemauerte Terrasse, angebautes höheres Hinterhaus, links angebaute Schuppen.
Davor, auf der Parzelle 88, wurde um 1905 ein Werkstattgebäude errichtet, massiver zweigeschossiger Putzbau mit Satteldach (Hermannsweg 1).
Eigentümer*innen, Bewohner*innen
1830 Schreinergeselle Christoph Fischer aus Rischenau.
1846 Fischer.
1854 (Salbuch) Fischer.
1865 Tischler und Colon Karl Christoph Fischer.
1880 (Urkataster) Fischer.
1894 (Brandkataster) A. Fischer
1901 (Adressbuch) Tischler August Fischer; Maurer Heinrich Berkemeier.
1919 (Volkszählung) Tischler August Fischer mit Frau Elise und den Söhnen Ernst und ?, Tochter Lisa.
1926 (Adressbuch) August Fischer; Möbeltischlerei Gebr. Fischer, Tel. 343.
Literatur
Gisela Teutmeyer, Chroniken der Familien Teutmeyer & Knöner, o. O. o. J. (Detmold 2019), S. 82–84.
Quellen
LAV NRW OWL, L 92 T 1 / Lippische Rentkammer – Kolonate, Nr. 417: Errichtung eines Kottens durch Schreinergeselle Fischer auf dem Kolonat Tötemeier, Heiligenkirchen Nr. 4, 1830; – L 108 Detmold Fach 30 Nr. 8 Bd. II, 20: Anlegung eines Erbpacht- und Binnenkottens von Seiten des Kolons Tötemeier Nr. 4 und Überlassung desselben an den Schreiner Fischer, 1830.