Marktstraße 5 (Schwalenberg): Unterschied zwischen den Versionen

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Ehem. Schwalenberg Nr. 91, Drostenhof oder Berninghauser Hof, Amthaus, bis 1938 Geschäftshaus der jüdischen Familie Bachrach. 1926 Adresse Mittelstraße 91a, 1945–1970 Hausnr. 159.
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}}Ehem. (ab 1808) Schwalenberg Nr. 91, Drostenhof oder Berninghauser (auch: Barninghauser) Hof, Amthaus, bis 1938 Geschäftshaus der jüdischen Familie Bachrach. 1926 Adresse Mittelstraße 91a, 1945–1970 Hausnr. 159.


==Geschichte==
==Geschichte==


Das Amthaus wurde 1595, vier Jahre nach dem Stadtbrand, vor dem Alten Tor, aber noch innerhalb des Knicks, der die Stadt umgab, erbaut. Bauherr war der Schwalenberger Amtmann Falk Arend von Oeynhausen. Umbau 1827/28, Erneuerung des Erkers [Zwerchhaus], abgängig. Die noch von Baurat von Natorp 1823 veranschlagte Erneuerung des Erkers ließ Brune 1827/28 ausführen. Wegen einer nachträglichen Vergrößerung um 3 Fuß in der Länge und 5 Fuß in der Breite verteuerte sich der Bau.  
Das Amthaus wurde 1595, vier Jahre nach dem Stadtbrand, vor dem Alten Tor, aber noch innerhalb des Knicks, der die Stadt umgab, erbaut. Bauherr war der Schwalenberger Amtmann Falk Arend von Oeynhausen. Umbau 1827/28, Erneuerung des Erkers [Zwerchhaus], abgängig. Die noch von Baurat Theodor von Natorp 1823 veranschlagte Erneuerung des Erkers ließ Ferdinand Brune 1827/28 ausführen. Wegen einer nachträglichen Vergrößerung um 3 Fuß in der Länge und 5 Fuß in der Breite verteuerte sich der Bau.  
 
1877 erwarb der Hauseigentümer Simon Bachrach das Nachbarhaus Albert, [[Marktstraße 3 (Schwalenberg)|Schwalenberg Nr. 130]].<ref>LAV NRW OWL, L 108 Schwalenberg Nr. 740.</ref> Vor 1901 (Adressbuch) Verkauf an Fritz Tippenhauer, der hier 1900 [i] neu baute.
 
Im März 1933 drangen nachts uniformierte Männer gewaltsam in das Geschäftshaus ein und durchsuchten es. Am 1. April 1933 musste der Gustav Bachrach bestätigen, dass er keinen Schadenersatz beanspruche.<ref>{{HengstHandbuch2013}}, S. 696.</ref> Während der November-Pogrome wurden die Geschäfts- und Wohnräume des abwesenden Gustav Bachrach verwüstet und das Haus wurde anschließend polizeilich versiegelt. Im Bericht der Gendarmerie Schwalenberg heißt es, die Bevölkerung würde es begrüßen, wenn das Geschäft „alsbald von einer arischen Person“ geführt werde, zumal es in der näheren Umgebung das einzige größere Manufakturwarengeschäft sei. Gustav Bachrach sowie der Handlungsgehilfe Willi Harf wurden vom 12.–21.11.1938 im KZ Buchenwald inhaftiert. Danach zog Gustav Bachrach mit seiner Familie zu einer Schwester nach Hannover. Die Stadt Schwalenberg machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch und kaufte das Haus im Dezember 1938 für 20.000 Reichsmark. Im Rahmen der Rückerstattung forderte die JTC von der Stadt Schwalenberg eine Entschädigung für das Haus der Familie Bachrach. Man einigte sich auf eine Zahlung in 2 Raten in den Jahren 1951 und 1952, deren Summe geringer war als der Kaufpreis 1938.<ref>{{HengstHandbuch2013}}, S. 697.</ref>


==Gebäude==
==Gebäude==


===Amthaus===
===Amthaus===
[[Datei:SCHWA-Marktstr5_Tsungam2012.jpg|thumb|Marktstraße 5, ehem. Amthaus, bis 1938 Haus Bachrach, 2012, Foto: Magnus Titho]]


Zweigeschossiger Fachwerkbau, giebelständig. Angebauter Amthaus-Erker, eine mit Backstein ausgemauerte Fachwerkkonstruktion, wurde an der Wetterseite verbrettert. Das abgewalmte Dach mit Sollingplatten gedeckt und mit hölzernen Rinnen versehen (1827/28).
Zweigeschossiger Fachwerkbau, giebelständig. Angebauter Amthaus-Erker, eine mit Backstein ausgemauerte Fachwerkkonstruktion, wurde an der Wetterseite verbrettert. Das abgewalmte Dach mit Sollingplatten gedeckt und mit hölzernen Rinnen versehen (1827/28).
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==Inschriften==
==Inschriften==


Auf dem Kehlbalken: WER GODT VORTRUWET DE HED WOL GEBUWET 1595.
[[Datei:SCHWA-Marktstr5_1_W_3.png|thumb|Marktstraße 5, Inschrift auf dem Kehlbalken, Zeichnung, nach 1866, Emil Zeiß, LLB: 1 W 3]]
 
Auf dem Kehlbalken: WER GODT VORTRUWET DE HED WOL GEBUWET 1595. [Die Zeichnung von Emil Zeiß mit abweichendem Wortlaut.]


Auf der Schwelle: FURCHT GOT UND EHR DIE ELTERN DEIN / DEMUT LAS DIR GEFELIG SEIN / SEI FLEISIG BLEIB IM NIDRIGN STAND / SO WIRD DICH SEGNEN GOTS HANDT.
Auf der Schwelle: FURCHT GOT UND EHR DIE ELTERN DEIN / DEMUT LAS DIR GEFELIG SEIN / SEI FLEISIG BLEIB IM NIDRIGN STAND / SO WIRD DICH SEGNEN GOTS HANDT.
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Johann Wilhelm von Berninghausen, † 1710/11.  
Johann Wilhelm von Berninghausen, † 1710/11.  
1753 Amtmann Carl Henrich Capaun.<ref>LAV NRW OWL, L 77 A Nr. 886.</ref>


1781 (Salbuch) Herrschaftl. Amthaus olim von Barninghauser Hoff, paderbornisch.
1781 (Salbuch) Herrschaftl. Amthaus olim von Barninghauser Hoff, paderbornisch.


1828 (Volkszählung) Abraham Bachrach mit Frau und 2 Söhnen, einem männlichen Hausgenossen, 1 weibl. und 1 männl. Dienstboten.
1808 Heinemann Bachrach.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 499.</ref> Heinemann Abraham Bachrach, * ca. 1743 in Lauenvörde, † 6.2.1832 in Schwalenberg, oo Hanne Jonas, * ca. 1744 in Lüdge, † 11.8.1811, Eltern: Jonas und Gundel. Kinder waren (Aufzählung nicht vollständig):
* 1. Abraham Bachrach, * um 1780, † ?, oo 25.3.1818 Frommet Rothschild, 21 Jahre alt (Eltern: Joseph Rothschild und Hanne Samson), * um 1797 in Menkhausen, † 12.4.1870 in Schwalenberg.
* 2. Ruben Bachrach, * um 1782, † 5.3.1872.<ref>LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.</ref>
 
1828 (Volkszählung) Abraham Bachrach mit Frau und 2 Söhnen [Joseph und Samson, s. u.], einem männlichen Hausgenossen, 1 weibl. und 1 männl. Dienstboten. Abraham Bachrach und Frommet geb. Rothschild hatten 9 Kinder:<ref>LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.</ref>
* 1. Joseph * 10.9.1821, † 18.6.1842
* 2. Hanne * 28.4.1822, † 28.12.1825
* 3. Jonas * 16.11.1824, † 13.12.1827
* 4. Samson * 6.12.1826, oo 18.1.1864 Bertha Michaelis, * um 1837 in Menkhausen (Eltern Feist Michaelis und Henriette Blank)
* 5. Ephraim * 4.2.1829 (lebt 1870 in Lemgo)
* 6. Marianne * 30.3.1831, oo J. Steinberg/Gronau
* 7. Rieke * 10.7.1833, oo Oswald/Münster
* 8. Heinemann * 31.12.1835, † 31.3.1836
* 9. Israel * 4.4.1837. † 28.6.1837
 
1835 (Viehzählung) Bachrach.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 502.</ref>


1854 (Salbuch 1854) Bachrach.
1854 (Salbuch 1854) Bachrach.


1864 (Salbuch 1854) Erbe Samson Bachrach und Ehefrau.
1864 (Viehzählung) Samson Bachrach, Kaufmann.<ref>{{EckartSchwalenberg2008}}, S. 507.</ref> Samson Bachrach und Bertha geb. Michaelis hatten 9 Kinder:<ref>LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.</ref>
 
* 1. Johanne * 22.12.1865, † 5.12.1872
1871 (Salbuch 1854) Abtretung an Samson Bachrach.
* 2. Mathilde * 13.5.1867, † 18.1.871
* 3. Ida * 27.6.1868
* 4. Fanny * 23./24.6.1870, † 22.8.1870
* 5. Albrecht * 19.1.1872, † 12.9.1872
* 6. Sophie * 2.12.1873, † 12.1.1874
* 7. Gustav * 19.7.1875, oo nach Mai 1939 Franziska Fränze Wolfstein, geschiedene Landsberg, * 17.8.1896 in Bochum. Gustav Bachrach vom 12.–21.11.1938 im Anschluss an die November-Pogrome im KZ Buchenwald, danach Umzug zu Verwandten Hannover, 3./4.9.1941 im Zug der „Aktion Lauterbacher“ Zwangsumzug in das "Judenhaus" Wunstorfer Straße 16 a, Gustav und Franziska am 15.12.1941 nach Riga deportiert mit Sohn Gerd (aus 1. Ehe) und Ex-Ehemann Ludwig Landsberg, am 9.8.1944 nach Stutthof, Gustav und Franziska beide für tot erklärt.
* 8. Rudolph * 5.3.1877, oo 12.10.-1909 in Breslau Alice Glaser * 6.4.1885 in Neumarkt/Schlesien (jetzt Sroda Slaska/PL), Eltern Amalie und Paul Glaser. 1 Kind Karl, * 8.8.1912 in Berlin-Charlottenburg. Am 10. August 1939 die Aufnahme der Eheleute in die evangelische Kirche genehmigt, beide am 17. August 1939 von Vikar Wolfgang Saß in der St.-Annen-Kirche getauft. Von Berlin (Sammellager Gerlachstraße) am 3.10.1942 deportiert in das Ghetto Theresienstadt, dort am 22. November 1942 ermordet.<ref>[https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/].</ref>
* 9. Julius * 16.7.1879, oo Olga Neufeld aus Plettenberg († in einem Konzentrationslager), * um 1913 Helmut, † 1918 an Diphterie, Marianne * um 1920 (1936 in die Schweiz, von dort 1939 in die USA emigriert, † 2017 in Miami). † 5.9.1942 in Litzmannstadt (Lodz), Ghetto. Bis 15.12.1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen, am 22.10.1941 Deportation nach Litzmannstadt (Lodz), dort am 5.9.1942 ermordet.<ref>[https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/].</ref>


1901 (Adressbuch) Samson Bachrach, Kaufmann.
1901 (Adressbuch) Samson Bachrach, Kaufmann.


1926 (Adressbuch) A. H. Bachrach, Inhaber S. Bachrach, Manufakturwaren.
1926 (Adressbuch) A. H. Bachrach, Inhaber S. [recte: Gustav] Bachrach, Manufakturwaren.


==Literatur==
==Literatur==


{{KleinmannsLandbaumeister2024}}, S. 106 u. 167.
{{KleinmannsLandbaumeister2024}}, S. 106 u. 167.
{{HengstHandbuch2013}}.


==Quellen==
==Quellen==
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LAV NRW OWL, D 73 Tit. 4 Nr. 7523: Querschnitt, Grundrisse von der zum Amtshaus in Schwalenberg gehörigen Scheune, aufgenommen von Brune 1841.
LAV NRW OWL, D 73 Tit. 4 Nr. 7523: Querschnitt, Grundrisse von der zum Amtshaus in Schwalenberg gehörigen Scheune, aufgenommen von Brune 1841.
LAV NRW OWL, L 52 / Lippischer Adel: v. Berninghausen und v. Mengersen.
LAV NRW OWL, L 32 / Flecken und Amt Schwalenberg / Amt Oldenburg, Nr. 150: von Sieghardsche (von Berninghausensche) und von Mengersensche Besitzungen [Acta, welche von der Frau von Sieghard über die Berninghausische Hauß und Güther Anno 1765 extradirt worden / Verschiedene Aktenstücke betr. v. Sieghardsche Güter und Verlassenschaft], 1673-1674, 1706, 1765-1774.
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LAV NRW OWL, D 73 / Allgemeine Kartensammlung, Nr. 4/6721: Vermessregister zu Grundstücken des Amtshauses Schwalenberg (von Barninghausen), handschriftl. Register, (Inselkarten) mit Vermessungsangaben, (ca. 18. Jh.).
LAV NRW OWL, L 32 / Flecken und Amt Schwalenberg / Amt Oldenburg, Nr. 65: Amtmanns-Wohnung, Amtshaus, 1671, 1739-1741.
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LAV NRW OWL, L 95 V / Haus Lippe-Biesterfeld, Nr. 1653: Anstellung der Amtmänner zu Schwalenberg, 1640-1683.
LAV NRW OWL, L 108 Schwalenberg / Amt Schwalenberg, Nr. 740: Verkauf des Wohnhauses der Stätte Albert Nr. 130, Schwalenberg, an den Kaufmann S. Bachrach, Schwalenberg, 1877-1879.
LAV NRW OWL, L 104 / Lippischer Landeskonservator, Nr. 19: Stadt Schwalenberg, 1906-1951.


LLB, 1 W 3: Zeichnung der Inschrift auf dem Kehlbalken, Emil Zeiß, 1866 oder später.
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Aktuelle Version vom 24. November 2024, 12:11 Uhr

Marktstraße 5 (Schwalenberg)
OrtsteilSchwalenberg
StraßeMarktstraße (Schwalenberg)
Hausnummer5
Karte
Adressbuch von 1901
GemeindeSchwalenberg
Hausnummer091

Ehem. (ab 1808) Schwalenberg Nr. 91, Drostenhof oder Berninghauser (auch: Barninghauser) Hof, Amthaus, bis 1938 Geschäftshaus der jüdischen Familie Bachrach. 1926 Adresse Mittelstraße 91a, 1945–1970 Hausnr. 159.

Geschichte

Das Amthaus wurde 1595, vier Jahre nach dem Stadtbrand, vor dem Alten Tor, aber noch innerhalb des Knicks, der die Stadt umgab, erbaut. Bauherr war der Schwalenberger Amtmann Falk Arend von Oeynhausen. Umbau 1827/28, Erneuerung des Erkers [Zwerchhaus], abgängig. Die noch von Baurat Theodor von Natorp 1823 veranschlagte Erneuerung des Erkers ließ Ferdinand Brune 1827/28 ausführen. Wegen einer nachträglichen Vergrößerung um 3 Fuß in der Länge und 5 Fuß in der Breite verteuerte sich der Bau.

1877 erwarb der Hauseigentümer Simon Bachrach das Nachbarhaus Albert, Schwalenberg Nr. 130.[1] Vor 1901 (Adressbuch) Verkauf an Fritz Tippenhauer, der hier 1900 [i] neu baute.

Im März 1933 drangen nachts uniformierte Männer gewaltsam in das Geschäftshaus ein und durchsuchten es. Am 1. April 1933 musste der Gustav Bachrach bestätigen, dass er keinen Schadenersatz beanspruche.[2] Während der November-Pogrome wurden die Geschäfts- und Wohnräume des abwesenden Gustav Bachrach verwüstet und das Haus wurde anschließend polizeilich versiegelt. Im Bericht der Gendarmerie Schwalenberg heißt es, die Bevölkerung würde es begrüßen, wenn das Geschäft „alsbald von einer arischen Person“ geführt werde, zumal es in der näheren Umgebung das einzige größere Manufakturwarengeschäft sei. Gustav Bachrach sowie der Handlungsgehilfe Willi Harf wurden vom 12.–21.11.1938 im KZ Buchenwald inhaftiert. Danach zog Gustav Bachrach mit seiner Familie zu einer Schwester nach Hannover. Die Stadt Schwalenberg machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch und kaufte das Haus im Dezember 1938 für 20.000 Reichsmark. Im Rahmen der Rückerstattung forderte die JTC von der Stadt Schwalenberg eine Entschädigung für das Haus der Familie Bachrach. Man einigte sich auf eine Zahlung in 2 Raten in den Jahren 1951 und 1952, deren Summe geringer war als der Kaufpreis 1938.[3]

Gebäude

Amthaus

Marktstraße 5, ehem. Amthaus, bis 1938 Haus Bachrach, 2012, Foto: Magnus Titho

Zweigeschossiger Fachwerkbau, giebelständig. Angebauter Amthaus-Erker, eine mit Backstein ausgemauerte Fachwerkkonstruktion, wurde an der Wetterseite verbrettert. Das abgewalmte Dach mit Sollingplatten gedeckt und mit hölzernen Rinnen versehen (1827/28).

Scheune

Zum Amthaus gehörte eine Scheune auf dem rückwärtigen Grundstücksende an der Chaussee. Sie hatte einen massiven Wandkasten und ein Satteldach sowie eine seitliche Einfahrt. 1841 Bauaufnahme durch Ferdinand Brune. Grund der Bauaufnahme war, dass durch den Bau der Chaussee das Niveau der Deele 7 Fuß 6 Zoll unter das Straßenniveau zu liegen kam.

Inschriften

Marktstraße 5, Inschrift auf dem Kehlbalken, Zeichnung, nach 1866, Emil Zeiß, LLB: 1 W 3

Auf dem Kehlbalken: WER GODT VORTRUWET DE HED WOL GEBUWET 1595. [Die Zeichnung von Emil Zeiß mit abweichendem Wortlaut.]

Auf der Schwelle: FURCHT GOT UND EHR DIE ELTERN DEIN / DEMUT LAS DIR GEFELIG SEIN / SEI FLEISIG BLEIB IM NIDRIGN STAND / SO WIRD DICH SEGNEN GOTS HANDT.

Eigentümer*innen, Bewohner*innen

1569 Falk Arndt von Oeynhausen auf der Grevenburg, * Grevenburg um 1535, † Schwalenberg 26.10.1603, begr. Falkenhagen 4.11.1603. Seit 1666 Lippischer Amtmann, seit 1668 auch Paderbornischer Amtmann des Amtes Schwalenberg und Oldenburg mit Stoppelberg. oo 1560/1566 mit Anna Catharina von Kerßenbrock aus Barntrup, † Schwalenberg 16.2.1612, begr. Falkenhagen.

Johann Wilhelm von Berninghausen, † 1710/11.

1753 Amtmann Carl Henrich Capaun.[4]

1781 (Salbuch) Herrschaftl. Amthaus olim von Barninghauser Hoff, paderbornisch.

1808 Heinemann Bachrach.[5] Heinemann Abraham Bachrach, * ca. 1743 in Lauenvörde, † 6.2.1832 in Schwalenberg, oo Hanne Jonas, * ca. 1744 in Lüdge, † 11.8.1811, Eltern: Jonas und Gundel. Kinder waren (Aufzählung nicht vollständig):

  • 1. Abraham Bachrach, * um 1780, † ?, oo 25.3.1818 Frommet Rothschild, 21 Jahre alt (Eltern: Joseph Rothschild und Hanne Samson), * um 1797 in Menkhausen, † 12.4.1870 in Schwalenberg.
  • 2. Ruben Bachrach, * um 1782, † 5.3.1872.[6]

1828 (Volkszählung) Abraham Bachrach mit Frau und 2 Söhnen [Joseph und Samson, s. u.], einem männlichen Hausgenossen, 1 weibl. und 1 männl. Dienstboten. Abraham Bachrach und Frommet geb. Rothschild hatten 9 Kinder:[7]

  • 1. Joseph * 10.9.1821, † 18.6.1842
  • 2. Hanne * 28.4.1822, † 28.12.1825
  • 3. Jonas * 16.11.1824, † 13.12.1827
  • 4. Samson * 6.12.1826, oo 18.1.1864 Bertha Michaelis, * um 1837 in Menkhausen (Eltern Feist Michaelis und Henriette Blank)
  • 5. Ephraim * 4.2.1829 (lebt 1870 in Lemgo)
  • 6. Marianne * 30.3.1831, oo J. Steinberg/Gronau
  • 7. Rieke * 10.7.1833, oo Oswald/Münster
  • 8. Heinemann * 31.12.1835, † 31.3.1836
  • 9. Israel * 4.4.1837. † 28.6.1837

1835 (Viehzählung) Bachrach.[8]

1854 (Salbuch 1854) Bachrach.

1864 (Viehzählung) Samson Bachrach, Kaufmann.[9] Samson Bachrach und Bertha geb. Michaelis hatten 9 Kinder:[10]

  • 1. Johanne * 22.12.1865, † 5.12.1872
  • 2. Mathilde * 13.5.1867, † 18.1.871
  • 3. Ida * 27.6.1868
  • 4. Fanny * 23./24.6.1870, † 22.8.1870
  • 5. Albrecht * 19.1.1872, † 12.9.1872
  • 6. Sophie * 2.12.1873, † 12.1.1874
  • 7. Gustav * 19.7.1875, oo nach Mai 1939 Franziska Fränze Wolfstein, geschiedene Landsberg, * 17.8.1896 in Bochum. Gustav Bachrach vom 12.–21.11.1938 im Anschluss an die November-Pogrome im KZ Buchenwald, danach Umzug zu Verwandten Hannover, 3./4.9.1941 im Zug der „Aktion Lauterbacher“ Zwangsumzug in das "Judenhaus" Wunstorfer Straße 16 a, Gustav und Franziska am 15.12.1941 nach Riga deportiert mit Sohn Gerd (aus 1. Ehe) und Ex-Ehemann Ludwig Landsberg, am 9.8.1944 nach Stutthof, Gustav und Franziska beide für tot erklärt.
  • 8. Rudolph * 5.3.1877, oo 12.10.-1909 in Breslau Alice Glaser * 6.4.1885 in Neumarkt/Schlesien (jetzt Sroda Slaska/PL), Eltern Amalie und Paul Glaser. 1 Kind Karl, * 8.8.1912 in Berlin-Charlottenburg. Am 10. August 1939 die Aufnahme der Eheleute in die evangelische Kirche genehmigt, beide am 17. August 1939 von Vikar Wolfgang Saß in der St.-Annen-Kirche getauft. Von Berlin (Sammellager Gerlachstraße) am 3.10.1942 deportiert in das Ghetto Theresienstadt, dort am 22. November 1942 ermordet.[11]
  • 9. Julius * 16.7.1879, oo Olga Neufeld aus Plettenberg († in einem Konzentrationslager), * um 1913 Helmut, † 1918 an Diphterie, Marianne * um 1920 (1936 in die Schweiz, von dort 1939 in die USA emigriert, † 2017 in Miami). † 5.9.1942 in Litzmannstadt (Lodz), Ghetto. Bis 15.12.1938 im Konzentrationslager Sachsenhausen, am 22.10.1941 Deportation nach Litzmannstadt (Lodz), dort am 5.9.1942 ermordet.[12]

1901 (Adressbuch) Samson Bachrach, Kaufmann.

1926 (Adressbuch) A. H. Bachrach, Inhaber S. [recte: Gustav] Bachrach, Manufakturwaren.

Literatur

Joachim Kleinmanns, Preußischer Klassizismus in Lippe. Der lippische Landbaumeister Ferdinand Brune (1803–1857). Leben und Werk, Petersberg 2024, S. 106 u. 167.

Karl Hengst, Ursula Olschewski (Hg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Münster 2013.

Quellen

LAV NRW OWL, L 92 R Nr. 1657: Bauten und Reparaturen am Amthause zu Schwalenberg, 1823–1832.

LAV NRW OWL, D 73 Tit. 4 Nr. 7523: Querschnitt, Grundrisse von der zum Amtshaus in Schwalenberg gehörigen Scheune, aufgenommen von Brune 1841.

LAV NRW OWL, L 52 / Lippischer Adel: v. Berninghausen und v. Mengersen.

LAV NRW OWL, L 32 / Flecken und Amt Schwalenberg / Amt Oldenburg, Nr. 150: von Sieghardsche (von Berninghausensche) und von Mengersensche Besitzungen [Acta, welche von der Frau von Sieghard über die Berninghausische Hauß und Güther Anno 1765 extradirt worden / Verschiedene Aktenstücke betr. v. Sieghardsche Güter und Verlassenschaft], 1673-1674, 1706, 1765-1774.

LAV NRW OWL, L 32 / Flecken und Amt Schwalenberg / Amt Oldenburg, Nr. 151: von Berninghausensche Besitzungen, Berechtigungen, Familienangelegenheiten (u.a. Haus und Garten, Kirchenstand, Rechnungssachen, Testament), 1662-1710, 1744-1761.

LAV NRW OWL, D 73 / Allgemeine Kartensammlung, Nr. 4/6721: Vermessregister zu Grundstücken des Amtshauses Schwalenberg (von Barninghausen), handschriftl. Register, (Inselkarten) mit Vermessungsangaben, (ca. 18. Jh.).

LAV NRW OWL, L 32 / Flecken und Amt Schwalenberg / Amt Oldenburg, Nr. 65: Amtmanns-Wohnung, Amtshaus, 1671, 1739-1741.

LAV NRW OWL, L 77 A / Lippische Regierung (Ältere Registratur) - Allgemeine und innere Verwaltung, Nr. 886: Anstellung des Amtmanns Carl Henrich Capaun zu Schwalenberg, 1753, 1782.

LAV NRW OWL, L 95 V / Haus Lippe-Biesterfeld, Nr. 1653: Anstellung der Amtmänner zu Schwalenberg, 1640-1683.

LAV NRW OWL, L 108 Schwalenberg / Amt Schwalenberg, Nr. 740: Verkauf des Wohnhauses der Stätte Albert Nr. 130, Schwalenberg, an den Kaufmann S. Bachrach, Schwalenberg, 1877-1879.

LAV NRW OWL, L 104 / Lippischer Landeskonservator, Nr. 19: Stadt Schwalenberg, 1906-1951.

LLB, 1 W 3: Zeichnung der Inschrift auf dem Kehlbalken, Emil Zeiß, 1866 oder später.

LLM, 1298/93: Zeichnung der Inschrift auf dem Kehlbalken, Emil Zeiß, 2.9.1876.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. LAV NRW OWL, L 108 Schwalenberg Nr. 740.
  2. Karl Hengst, Ursula Olschewski (Hg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Münster 2013, S. 696.
  3. Karl Hengst, Ursula Olschewski (Hg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Münster 2013, S. 697.
  4. LAV NRW OWL, L 77 A Nr. 886.
  5. Karl Eckart, Schwalenberg. Kontinuität und Wandel. Vom Flecken zum Stadtteil. Eine Chronik, hg. von der Bürgerstiftung Schwalenberg, o. O. 2008, S. 499.
  6. LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.
  7. LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.
  8. Karl Eckart, Schwalenberg. Kontinuität und Wandel. Vom Flecken zum Stadtteil. Eine Chronik, hg. von der Bürgerstiftung Schwalenberg, o. O. 2008, S. 502.
  9. Karl Eckart, Schwalenberg. Kontinuität und Wandel. Vom Flecken zum Stadtteil. Eine Chronik, hg. von der Bürgerstiftung Schwalenberg, o. O. 2008, S. 507.
  10. LAV NRW OWL, P 2 Nr. 16.
  11. [1].
  12. [2].

Autor*innen

Joachim Kleinmanns