Warweg 4 (Heiligenkirchen): Unterschied zwischen den Versionen
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1867 erbaut, ehem. Heiligenkirchen Nr. 48. | 1867 erbaut, ehem. Heiligenkirchen Nr. 48. | ||
==Geschichte== | ==Geschichte== | ||
1864 auf Initiative der Prinzessin Sophie von Baden, Ehefrau Prinz Woldemars zur Lippe, gegründeter "Lippischer Mädchen-Erziehungsverein", um 'verwahrloste' Mädchen aufzunehmen und zu erziehen. Nach der Konfirmation wurden diese dann als Hausangestellte vermittelt. Am 18. Oktober 1864 erhielt die Einrichtung den Namen "Sophien-Anstalt" nach ihrer Stifterin und Vorsteherin. Die Hausmutter Fräulein Jahnke, eine Haushaltshilfe und vier Mädchen bezogen zunächst das Obergeschoss der neuen Leibzucht des Teuthofs, [[Unterer Weg 4 (Heiligenkirchen)|Unterer Weg 4]]. Im folgenden Jahr waren es schon elf Mädchen, weitere vier waren in Familien in [[Spork-Eichholz|Spork]], [[Waddenhausen]], [[Heiligenkirchen]] und [[Mosebeck]] untergebracht. | 1864 auf Initiative der [https://lippelex.de/index.php?title=Sophie,_Lippe,_Fürstin_(1834-1904) Prinzessin Sophie von Baden], Ehefrau Prinz Woldemars zur Lippe, gegründeter "Lippischer Mädchen-Erziehungsverein", um 'verwahrloste' Mädchen aufzunehmen und zu erziehen. Nach der Konfirmation wurden diese dann als Hausangestellte vermittelt. Am 18. Oktober 1864 erhielt die Einrichtung den Namen "Sophien-Anstalt" nach ihrer Stifterin und Vorsteherin. Die Hausmutter Fräulein Jahnke, eine Haushaltshilfe und vier Mädchen bezogen zunächst das Obergeschoss der neuen Leibzucht des Teuthofs, [[Unterer Weg 4 (Heiligenkirchen)|Unterer Weg 4]]. Im folgenden Jahr waren es schon elf Mädchen, weitere vier waren in Familien in [[Spork-Eichholz|Spork]], [[Waddenhausen]], [[Heiligenkirchen]] und [[Mosebeck]] untergebracht. | ||
[[Datei:DT-Hk_Warweg4_Rinke10.jpg|thumb|Grundstücksplan über a) Acker und b) Gartenland, G. Limberg, 1865, aus: Rinke, 2014, S. 10]] | [[Datei:DT-Hk_Warweg4_Rinke10.jpg|thumb|Grundstücksplan über a) Acker und b) Gartenland, G. Limberg, 1865, aus: Rinke, 2014, S. 10]] | ||
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Für den Bau des Hauses wurde bis 1867 die Summe von 687 Talern gesammelt, durch Spenden auf 2.000 Taler ausgestockt. Am 23. Mai 1867 wurde der Grundstein gelegt. Nachdem der Rohbau erstellt war, richtete Konsistorialrat Otto Thelemann (20.3.1828–17.1.1898) im Namen des Vereins die Bitte an das Fürstenhaus, eine Landeskollekte für den Weiterbau bewilligen zu wollen. Erst am 20. November wurde dieser Bitte stattgegeben. Weitere folgten in den nächsten Jahren. Thelemann (geb. Hornbach 1828, gest. 1898 Detmold) stammte aus der damals zu Bayern gehörenden Pfalz, war 1863 zum Konsistorialrat und Direktor des Detmolder Lehrerseminars berufen worden und für das Volksschulwesen zuständig.<ref> | Für den Bau des Hauses wurde bis 1867 die Summe von 687 Talern gesammelt, durch Spenden auf 2.000 Taler ausgestockt. Am 23. Mai 1867 wurde der Grundstein gelegt. Nachdem der Rohbau erstellt war, richtete Konsistorialrat [https://lippelex.de/index.php?title=Thelemann,_Otto_(1828-1898) Otto Thelemann] (20.3.1828–17.1.1898) im Namen des Vereins die Bitte an das Fürstenhaus, eine Landeskollekte für den Weiterbau bewilligen zu wollen. Erst am 20. November wurde dieser Bitte stattgegeben. Weitere folgten in den nächsten Jahren. Thelemann (geb. Hornbach 1828, gest. 1898 Detmold) stammte aus der damals zu Bayern gehörenden Pfalz, war 1863 zum Konsistorialrat und Direktor des Detmolder Lehrerseminars berufen worden und für das Volksschulwesen zuständig.<ref>{{Wilke2008}}.</ref> <ref> {{ThelemannThelemann1937}}. </ref> | ||
Der Neubau erfolgte nach Entwurf von Leopold Petri, Baumeister in Detmold. Die Baukosten lagen mit 5.505 Reichstalern innerhalb des Kostenanschlags. Neben den Mitgliedsbeiträgen und Spenden half auch eine vom Fürstenhaus genehmigte jährliche Kollekte in allen Kirchen des Landes, in den acht folgenden Jahren der Kredit abzutragen, vor allem auch, weil Fürst Leopold III. 1875 die Tilgung der Restschuld durch eine Spende von 400 Talern ermöglichte. Am 21. Oktober 1868 wurde der Neubau eingeweiht und im November das Gebäude von der Hausmutter Antonie Faber, der Erzieherin Marie Sauerländer sowie der Magd Malchen Böckhaus mit 14 Mädchen bezogen. Eine Besonderheit war die Badestube, wohl die einzige im gesamten Kirchspiel. Sie wurde denn auch eigens begründet: "Letzteres ist kein Luxus, sondern dient zur Reinigung der aufzunehmenden Kinder, die uns oft in unglaublichem Schmutz [...] zu Händen kommen".<ref> Zit. nach | Der Neubau erfolgte nach Entwurf von [https://lippelex.de/index.php?title=Petri,_Leopold_(1830-1909) Leopold Petri], Baumeister in Detmold. Die Baukosten lagen mit 5.505 Reichstalern innerhalb des Kostenanschlags. Neben den Mitgliedsbeiträgen und Spenden half auch eine vom Fürstenhaus genehmigte jährliche Kollekte in allen Kirchen des Landes, in den acht folgenden Jahren der Kredit abzutragen, vor allem auch, weil Fürst Leopold III. 1875 die Tilgung der Restschuld durch eine Spende von 400 Talern ermöglichte. Am 21. Oktober 1868 wurde der Neubau eingeweiht und im November das Gebäude von der Hausmutter Antonie Faber, der Erzieherin Marie Sauerländer sowie der Magd Malchen Böckhaus mit 14 Mädchen bezogen. Eine Besonderheit war die Badestube, wohl die einzige im gesamten Kirchspiel. Sie wurde denn auch eigens begründet: "Letzteres ist kein Luxus, sondern dient zur Reinigung der aufzunehmenden Kinder, die uns oft in unglaublichem Schmutz [...] zu Händen kommen".<ref> Zit. nach {{WendtAmt1965}}, S. 226. </ref> Die Ausstattung des Hauses erfolgte vor allem durch Sachspenden. Prinzessin Sophie zur Lippe gab Möbel, andere spendeten Kleidung und Lebensmittel. Aus dem Detmolder Zuchthaus kamen zwölf Spinnräder und zwölf Haspeln. | ||
1869 errichtete der Erziehungsverein hinter dem Gebäude eine Scheune mit Stall. Zunächst waren nur drei Ziegen vorhanden, doch schenkte das Fürstenhaus zu Pfingsten 1869 eine Kuh. Später kam noch ein Schwein hinzu. Mit dem zugehörigen Gartenland konnte nun eine teilweise Selbstversorgung erreicht werden. Um dies zu verbessern, wurden 1887 weitere 4 Scheffelsaat Ackerland von Bauer Tötemeier erworben. Auch Lebensmittel- und Sachspenden sorgten für eine willkommene Bereicherung des Speisezettels. Das Regierungs- und Anzeigeblatt vermerkte dazu im Dezember 1869 alle Spenden. Aus [[Heidenoldendorf]] beispielsweise kamen von "Colon Helweg: zwei Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Sünkel: zwei Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Sprenger: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Bröffel: ein Sack Gemüse, Lehrer Richemeier: ein Beutel mit Gemüse, Colon Grabbe vom Krähenberge: ein Sack Kartoffeln, Leibzüchter Lehbrink vom Krähenberge: ein Sack Gemüse u. Kartoffeln, Colon Schneider: ein Sack Gemüse, Colon Geller: ein Sack Gemüse, Colon Mertens: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Leibzüchter Hille: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Leibzüchter Hillebrand: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Plaßmeier Hille: ein Sack Gemüse und Kartoffeln."<ref> | 1869 errichtete der Erziehungsverein hinter dem Gebäude eine Scheune mit Stall. Zunächst waren nur drei Ziegen vorhanden, doch schenkte das Fürstenhaus zu Pfingsten 1869 eine Kuh. Später kam noch ein Schwein hinzu. Mit dem zugehörigen Gartenland konnte nun eine teilweise Selbstversorgung erreicht werden. Um dies zu verbessern, wurden 1887 weitere 4 Scheffelsaat Ackerland von Bauer Tötemeier erworben. Auch Lebensmittel- und Sachspenden sorgten für eine willkommene Bereicherung des Speisezettels. Das Regierungs- und Anzeigeblatt vermerkte dazu im Dezember 1869 alle Spenden. Aus [[Heidenoldendorf]] beispielsweise kamen von "Colon Helweg: zwei Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Sünkel: zwei Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Sprenger: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Bröffel: ein Sack Gemüse, Lehrer Richemeier: ein Beutel mit Gemüse, Colon Grabbe vom Krähenberge: ein Sack Kartoffeln, Leibzüchter Lehbrink vom Krähenberge: ein Sack Gemüse u. Kartoffeln, Colon Schneider: ein Sack Gemüse, Colon Geller: ein Sack Gemüse, Colon Mertens: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Leibzüchter Hille: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Leibzüchter Hillebrand: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Plaßmeier Hille: ein Sack Gemüse und Kartoffeln."<ref> {{DüstersiekGaben1869}}. </ref> Eine festliche Besonderheit war die Wildbret-Spende des Fürstenhauses. Jedes Jahr zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten erhielt das Sophienheim (wie auch das Landeskrankenhaus) ein Stück Wild – oder auch mehr. Am 18. Dezember 1895 schlug der Hofjäger Lindemeier vor: "Der Sophien-Anstalt 1 Damthier = 29,5 Kilo, 1 Schmalthier = 18,5 Kilo".<ref> LAV NRW OWL, L 94 Nr. 3267. </ref> | ||
Schon im zweiten Jahr kamen vier weitere Mädchen in das Heim und weitere neun waren in Familien untergebracht. Innerhalb der ersten 20 Jahre hatte die Einrichtung insgesamt 81 Mädchen aufgenommen und weitere elf in Familien betreut. | Schon im zweiten Jahr kamen vier weitere Mädchen in das Heim und weitere neun waren in Familien untergebracht. Innerhalb der ersten 20 Jahre hatte die Einrichtung insgesamt 81 Mädchen aufgenommen und weitere elf in Familien betreut. | ||
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1901 (Adressbuch) Sophienanstalt. Hausvater Lehrer Georg Anderson. | 1901 (Adressbuch) Sophienanstalt. Hausvater Lehrer Georg Anderson. Die Familie Andersohn (auch: Anderson) war 1900 von Preußen nach Heiligenkirchen eingebürgert worden. Es handelte sich bei dieser Einbürgerung um Georg Hugo Andersohn, seine Frau Emilie geb. Feußen, sowie die Kinder Aurelie Clara Marie, Clara und Hans Otto.<ref>LAV NRW OWL, L 109 Detmold / Verwaltungs- und Landratsamt Detmold, Nr. 61: Erwerb der Staatsangehörigkeit im Amt Detmold, 1874-1902.</ref> | ||
1914 (Adressbuch) Hausvater [Johannes] Carl und Frau [Christine]. | 1914 (Adressbuch) Hausvater [Johannes] Carl und Frau [Christine]. | ||
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Aktuelle Version vom 22. November 2024, 00:42 Uhr
Warweg 4 (Heiligenkirchen) | |
---|---|
Ortsteil | Heiligenkirchen |
Straße | Warweg (Heiligenkirchen) |
Hausnummer | 4 |
Karte | |
Adressbuch von 1901 | |
Gemeinde | Heiligenkirchen |
Hausnummer | 048 |
1867 erbaut, ehem. Heiligenkirchen Nr. 48.
Geschichte
1864 auf Initiative der Prinzessin Sophie von Baden, Ehefrau Prinz Woldemars zur Lippe, gegründeter "Lippischer Mädchen-Erziehungsverein", um 'verwahrloste' Mädchen aufzunehmen und zu erziehen. Nach der Konfirmation wurden diese dann als Hausangestellte vermittelt. Am 18. Oktober 1864 erhielt die Einrichtung den Namen "Sophien-Anstalt" nach ihrer Stifterin und Vorsteherin. Die Hausmutter Fräulein Jahnke, eine Haushaltshilfe und vier Mädchen bezogen zunächst das Obergeschoss der neuen Leibzucht des Teuthofs, Unterer Weg 4. Im folgenden Jahr waren es schon elf Mädchen, weitere vier waren in Familien in Spork, Waddenhausen, Heiligenkirchen und Mosebeck untergebracht.
1865 schenkte der Bauer Tötemeier (Teutmeier) dem Erziehungsverein ein Stück Land für den Bau eines eigenen Hauses am Warweg und vier Scheffelsaat Ackerland (1 Scheffelsaat = 1.717 m2) für die Selbstversorgung.[1] Am 1.5.1867 wurde vor dem Amt in Detmold die Schenkung von 4 Scheffelsaat "Gartenkamp beim Hofe" des Warwegschen Kolonats Nr. 7 zu Heiligenkirchen seitens der Eheleute Kolon Tötemeier Nr. 4 und 7 daselbst an den Mädchen-Erziehungs-Verein in Detmold zur Begründung einer Erziehungsanstalt für verwahrloste Mädchen unter dem Namen "Sophien-Anstalt" vollzogen.
Für den Bau des Hauses wurde bis 1867 die Summe von 687 Talern gesammelt, durch Spenden auf 2.000 Taler ausgestockt. Am 23. Mai 1867 wurde der Grundstein gelegt. Nachdem der Rohbau erstellt war, richtete Konsistorialrat Otto Thelemann (20.3.1828–17.1.1898) im Namen des Vereins die Bitte an das Fürstenhaus, eine Landeskollekte für den Weiterbau bewilligen zu wollen. Erst am 20. November wurde dieser Bitte stattgegeben. Weitere folgten in den nächsten Jahren. Thelemann (geb. Hornbach 1828, gest. 1898 Detmold) stammte aus der damals zu Bayern gehörenden Pfalz, war 1863 zum Konsistorialrat und Direktor des Detmolder Lehrerseminars berufen worden und für das Volksschulwesen zuständig.[2] [3]
Der Neubau erfolgte nach Entwurf von Leopold Petri, Baumeister in Detmold. Die Baukosten lagen mit 5.505 Reichstalern innerhalb des Kostenanschlags. Neben den Mitgliedsbeiträgen und Spenden half auch eine vom Fürstenhaus genehmigte jährliche Kollekte in allen Kirchen des Landes, in den acht folgenden Jahren der Kredit abzutragen, vor allem auch, weil Fürst Leopold III. 1875 die Tilgung der Restschuld durch eine Spende von 400 Talern ermöglichte. Am 21. Oktober 1868 wurde der Neubau eingeweiht und im November das Gebäude von der Hausmutter Antonie Faber, der Erzieherin Marie Sauerländer sowie der Magd Malchen Böckhaus mit 14 Mädchen bezogen. Eine Besonderheit war die Badestube, wohl die einzige im gesamten Kirchspiel. Sie wurde denn auch eigens begründet: "Letzteres ist kein Luxus, sondern dient zur Reinigung der aufzunehmenden Kinder, die uns oft in unglaublichem Schmutz [...] zu Händen kommen".[4] Die Ausstattung des Hauses erfolgte vor allem durch Sachspenden. Prinzessin Sophie zur Lippe gab Möbel, andere spendeten Kleidung und Lebensmittel. Aus dem Detmolder Zuchthaus kamen zwölf Spinnräder und zwölf Haspeln.
1869 errichtete der Erziehungsverein hinter dem Gebäude eine Scheune mit Stall. Zunächst waren nur drei Ziegen vorhanden, doch schenkte das Fürstenhaus zu Pfingsten 1869 eine Kuh. Später kam noch ein Schwein hinzu. Mit dem zugehörigen Gartenland konnte nun eine teilweise Selbstversorgung erreicht werden. Um dies zu verbessern, wurden 1887 weitere 4 Scheffelsaat Ackerland von Bauer Tötemeier erworben. Auch Lebensmittel- und Sachspenden sorgten für eine willkommene Bereicherung des Speisezettels. Das Regierungs- und Anzeigeblatt vermerkte dazu im Dezember 1869 alle Spenden. Aus Heidenoldendorf beispielsweise kamen von "Colon Helweg: zwei Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Sünkel: zwei Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Sprenger: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Bröffel: ein Sack Gemüse, Lehrer Richemeier: ein Beutel mit Gemüse, Colon Grabbe vom Krähenberge: ein Sack Kartoffeln, Leibzüchter Lehbrink vom Krähenberge: ein Sack Gemüse u. Kartoffeln, Colon Schneider: ein Sack Gemüse, Colon Geller: ein Sack Gemüse, Colon Mertens: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Leibzüchter Hille: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Leibzüchter Hillebrand: ein Sack Gemüse und Kartoffeln, Colon Plaßmeier Hille: ein Sack Gemüse und Kartoffeln."[5] Eine festliche Besonderheit war die Wildbret-Spende des Fürstenhauses. Jedes Jahr zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten erhielt das Sophienheim (wie auch das Landeskrankenhaus) ein Stück Wild – oder auch mehr. Am 18. Dezember 1895 schlug der Hofjäger Lindemeier vor: "Der Sophien-Anstalt 1 Damthier = 29,5 Kilo, 1 Schmalthier = 18,5 Kilo".[6]
Schon im zweiten Jahr kamen vier weitere Mädchen in das Heim und weitere neun waren in Familien untergebracht. Innerhalb der ersten 20 Jahre hatte die Einrichtung insgesamt 81 Mädchen aufgenommen und weitere elf in Familien betreut.
1881 erhielt das Sophienheim eine weitere Parzelle Land vom Gerstkampe des Kolonats Nr. 7 Warweg.[7]
1914 (Adressbuch) war Superintendent Lamberg Vorsitzender des Mädchen-Erziehungs-Vereins, der die Sophien-Anstalt betrieb. Rechnungsführer war Kammerdirektor Böhmer in Detmold. Der Zweck war die christliche (evang.) Erziehung verwahrloster oder der Verwahrlosung ausgesetzter Mädchen. Das Vermögen betrug 48.300 M und Grundbesitz.
Gebäude
1867 bestand ein massives, aus Bruchstein gemauertes zweistöckiges Gebäude mit T-förmigem Grundriss und Satteldächern. Mit der Breitseite ist es nach Süden ausgerichtet, mit 4 Fensterachsen, die Öffnungen mit leichtem Stichbogen. Der Giebel zum Unteren Weg hat 2 Fensterachsen, der traufständige Annex 3 Fensterachsen und im Nordgiebel 3 mit mittigem Eingang. Schmales Gurtgesims zwischen Erd- und Obergeschoss, Ecklisenen und am Annex schmale Lisenen zwischen den Fensterachsen.
1869 wurde oberhalb eine Scheune erbaut, parallel zum Hauptbau, später als Stallung genutzt.
1961 wurde das Haupthaus nach Süden traufständig, zweigeschossig mit Satteldach erweitert.
Eigentümer*innen, Bewohner*innen
1894 Sophien-Anstalt.
1901 (Adressbuch) Sophienanstalt. Hausvater Lehrer Georg Anderson. Die Familie Andersohn (auch: Anderson) war 1900 von Preußen nach Heiligenkirchen eingebürgert worden. Es handelte sich bei dieser Einbürgerung um Georg Hugo Andersohn, seine Frau Emilie geb. Feußen, sowie die Kinder Aurelie Clara Marie, Clara und Hans Otto.[8]
1914 (Adressbuch) Hausvater [Johannes] Carl und Frau [Christine].
1919 (Volkszählung) Arbeitsanstalt, Hausvater Johannes Carl mit Frau Christine, Adoptivtochter Lilli Carl, Dienstbotin Ida Ückermann, Zöglinge (geb. 1905–1910): Martha Beckmann, Martha Müller, Liesbeth Fischer, Luise Kessemeier, Minna Heinrichs, Minna Fischer, Marie Heuer, Herta Müller; Pflegekind Martha Küllenberg (geb. 27.3.1917).
1926 (Adressbuch) Sophienheim; Hausvater Johannes Carl.
Literatur
Bernhard Böhmer, Bericht über die Sophien-Anstalt während der ersten 25 Jahre ihres Bestehens, Detmold 1889.
Hermann Wendt, Das ehemalige Amt Falkenberg, Lemgo 1965, S. 223–228.
Bettina Rinke, ... dass es sie gibt, so lange sie nötig ist. ... 150 Jahre Sophieneinrichtungen. 1864–2014, Detmold 2014.
Quellen
LAV NRW OWL, L 101 C I Lippische Salbücher und Katasterbücher, 1854, Nr. 55.
LAV NRW OWL, D 23 Detmold 270, Landverkauf an die Sophienanstalt; L 69 Konsistorialakten Heiligenkirchen 1529–1811.
LAV NRW OWL, L 10 / Lippische Landtagsakten, Nr. 533, Vgl. Verzeichnis der Vorlagen und Index der gedruckten Protokolle 1921–1924 (Bibl.: F 8) Bd. 1, 1923, enthält u. a. Verzeichnis der Zöglinge der Sophienanstalt Heiligenkirchen.
LAV NRW OWL, L 75 Abt. I. Nr. 15; L 75 / Kabinettsministerium, Staatsministerium, Landespräsidium, Nr. 0 - V. Abt. 3b Nr. 14: Mädchen-Erziehungsverein zu Detmold, jetzt Sophienanstalt in Heiligenkirchen, 1864–1925.
LAV NRW OWL, L 75 / Kabinettsministerium, Staatsministerium, Landespräsidium, Nr. 0 - V. Abt. 6b Nr. 28: Beschwerde der Ehefrau Holtemeier zu Lemgo wegen Unterbringung der Kinder ihrer unehelichen Tochter Elise Heißenberg in der Sophienanstalt [in Heiligenkirchen], 1882.
LAV NRW OWL, L 75 Abt. VI. Nr. 8; L 77 B / Lippische Regierung - Fürstliche Abteilung, Nr. 679 - Band: 1: Dokumente zum Nachlass der Prinzessin Caroline Pauline / Teil 1, 1897–1906, Enthält u. a.: Jahresrechnungen der Sophienanstalt.
LAV NRW OWL, L 77 B / Lippische Regierung - Fürstliche Abteilung, Nr. 679 - Band: 2: Dokumente zum Nachlass der Prinzessin Caroline Pauline / Teil 2, 1884–1904, Enthält u. a.: Jahresrechnungen der Sophienanstalt.
LAV NRW OWL, L 79 / Lippische Regierung (Jüngere Registratur), Nr. 2839: Durchführung einer jährlichen Landeskollekte für die Sophienanstalt in Heiligenkirchen, 1867–1869,1913–1914.
LAV NRW OWL, L 80.09 Nr. 4; L 80.11 Nr. 1256; L 80.12 Heime 1935–1948; L 80.21 / Regierung/Landesregierung Lippe - Schulabteilung (Konsistorium), Nr. 2016: Sophienanstalt, 1864-1946.
LAV NRW OWL, L 80.21 / Regierung/Landesregierung Lippe - Schulabteilung (Konsistorium), Nr. 2020: Abnahme der Rechnungen der Stiftung Sophienanstalt zu Heiligenkirchen, 1902–1952.
LAV NRW OWL, L 94 Nr. 3267 Wildgabe; L 95 V / Haus Lippe-Biesterfeld, Nr. 1634: Lippische Anstalten, Stiftungen und soziale Vereine, 1882–1898–1905, enthält u. a.: Statuten des Mädchen-Erziehungs-Vereins in Detmold v. 1864; Sophienanstalt Detmold (1904).
LAV NRW OWL, L 108 Detmold, Nr. Fach 30 Nr. 8 - Band: V: Veräußerung von Grundeigentum, Anlegung von Neuwohnerstätten etc. in der Bauerschaft Heiligenkirchen, Band 5, 1859–1870, enthält u. a.: 71.) Landverkauf vom Kolonat Tötemeier Nr. 4 und Nr. 7 an den Mädchen-Erziehungsverein in Detmold zur Begründung der Sophienanstalt, 1867.
LAV NRW OWL, L 108 Hohenhausen / Amt Hohenhausen, Nr. Fach 43 Nr. 4: Aufnahme in die Sophienanstalt bei Detmold (in Heiligenkirchen); Waisenhaus in Barntrup, 1867.
LAV NRW OWL, L 109 Detmold Nr. 102 und Nr. 298.
LAV NRW OWL, L 112 A Kirchenbücher Heiligenkirchen 1683–1787.
LAV NRW OWL, L 113 / Zeitgeschichtliches Archiv für das Land Lippe und Parteiarchiv NSDAP Westfalen-Nord, Abt. Lippe , Nr. 1037: Allgemeiner Schriftwechsel der Kreisleitung (auch einzelne Rundschreiben von Partei- und staatlichen Stellen, einzelne Schreiben des Kreisleiters Wedderwille in seiner Eigenschaft als Stellvertreter des Führers der Landesregierung): Juli – Sept. 1940, enthält u. a. angebliche Verleumdung der HJ durch die Leiterin des Sophienheims in Heiligenkirchen.
Stadtarchiv Horn-Bad Meinberg bzw. Kreisarchiv Lippe: K 7 Horn / Stadt Horn, Nr. K 7 Stadt Horn (Stadt Horn), Nr. 1033: Unterbringung von Kindern bei Privaten, in der Sophienanstalt und Versorgungshaus Goar, 1892–1927 (gesperrt bis 2027).
Gaben für die Sophien-Anstalt, in: Lippisches Regierungs- und Anzeigenblatt, 1869, S. 1512.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ LAV NRW OWL, L 108 Detmold Fach 30 Nr. 8 Bd. V, 74.
- ↑ Axel F. Wilke, Otto Thelemann und seine Berufung zum Fürstlich Lippischen Konsistorialrat 1863/65, in: Rosenland, 7/2008, S. 2–7.
- ↑ Ernst Thelemann, Otto Thelemann. Konsistorial- und Schulrat, in: Max Staercke (Hg.), Menschen vom lippischen Boden. Lebensbilder, Detmold 1937, S. 277–278.
- ↑ Zit. nach Hermann Wendt, Das ehemalige Amt Falkenberg, Lemgo 1965, S. 226.
- ↑ Düstersiek, Gaben für die Sophien-Anstalt, in: Lippisches Regierungs- und Anzeigeblatt, 1869, S. 1512.
- ↑ LAV NRW OWL, L 94 Nr. 3267.
- ↑ LAV NRW OWL, L 101 C I Lippische Salbücher und Katasterbücher, 1854, Nr. 55.
- ↑ LAV NRW OWL, L 109 Detmold / Verwaltungs- und Landratsamt Detmold, Nr. 61: Erwerb der Staatsangehörigkeit im Amt Detmold, 1874-1902.